Formel 1 – Die Temperaturen bei der Formel 1 im Blickpunkt – In der Formel 1 spielen zwei Temperaturen eine entscheidende Rolle: die Luft- und die Streckentemperatur
Vielen von uns werden minimale Temperaturveränderungen nicht auffallen. In der Formel 1 haben jedoch selbst kleine Anstiege oder Rückgänge von nur ein oder zwei Grad einen beträchtlichen Einfluss darauf, wie die Teams ein Rennen oder eine Session angehen. Der anstehende Große Preis von Aserbaidschan wechselt in diesem Jahr aus der Hitze im Juni auf einen neuen Termin im kühleren April. Demzufolge nehmen wir einmal genau unter die Lupe, was diese Temperaturveränderungen für die Teams bedeuten.
In der Formel 1 spielen zwei Temperaturen eine entscheidende Rolle: die Luft- und die Streckentemperatur. Obwohl beide miteinander verbunden sind, sind sie nicht identisch. Ein Beispiel: An einem wundervollen, sonnigen Tag steigen sowohl die Luft- als auch die Streckentemperatur an. Sobald sich Wolken bilden, fällt die Lufttemperatur sofort wieder ab. Die Streckentemperatur bleibt jedoch länger bestehen und kühlt nur langsam ab.
Abhängig von den Materialien aus denen die Oberfläche besteht, heizen sich Strecken schneller oder lansgamer auf. Wenn die Streckenoberfläche aus vielen Bitumen besteht, ist sie dunkler. Dadurch absorbiert sie mehr Sonnenlicht und heizt sich schneller auf.
Temperaturunterschiede wirken sich auf viele Teile des Autos aus, aber den größten Einfluss nehmen sie normalerweise auf die Reifen. Die Streckentemperatur beeinflusst, wie heiß die Reifen werden, was wiederum einen Einfluss auf das Grip-Niveau sowie die Abbaurate nimmt.
Formel 1-Reifen besitzen ein sehr enges Funktionsfenster, also den optimalen Punkt, an dem sie mit Blick auf das Grip-Niveau die beste Performance bieten. Unter diesem Fenster produzieren sie nicht das gleiche Niveau an mechanischem Grip oder Performance, darüber kann die Performance abfallen und der Reifenabrieb zunehmen. Wenn das optimale Funktionsfenster für die Reifen nur um ein paar Grad verpasst wird, kann das eine Zehntelsekunde an Rundenzeit kosten.
Da die Vorder- und Hinterreifen nicht bei den gleichen Temperaturen funktionieren, beeinflusst eine Veränderung der Streckentemperatur sie unterschiedlich und erhöht oder verringert ihr Grip-Niveau ungleichmäßig. Schwankende Streckentemperaturen nehmen deshalb auch Einfluss auf die Fahrzeugbalance. Aus diesem Grund verändern die Teams regelmäßig das Fahrzeugsetup, um auf diese Veränderungen zu reagieren.
Aber nicht nur die Teams reagieren auf diese Veränderungen, sondern auch die Fahrer. Auch ihr Fahrstil hat einen Einfluss auf die Reifentemperatur. Die Fahrer pushen härter, wenn sie die Reifen aufheizen wollen, besonders in schnellen Kurven.
Wenn sich die Streckentemperatur während eines Rennens stark verändert, stehen den Fahrern mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Sie können nicht nur beeinflussen, wie stark sie die Reifen herannehmen, sondern auch ihre Fahrlinie verändern, um diese besser an die Balance des Autos anzupassen. Sie können aber auch das Differenzial – also den Betrag an Drehmomentübertragung zwischen den Hinterrädern – oder die Bremsbalance nach vorne oder nach hinten verstellen.
Während die Reifen vor allem durch die Streckentemperatur beeinflusst werden, nimmt die Lufttemperatur mehr Einfluss auf die Bremsen, die Kühlung und die Power Unit. Deshalb überwachen die Teams ständig die Luft- und Streckentemperatur sowie die Temperaturen der Fahrzeugkomponenten. So können die Teams verfolgen, wie sich diese Komponenten im Verlauf einer Session oder des Rennens entwickeln oder verändern.
Temperaturschwankungen verändern den Kühlbedarf, der notwendig ist, um die Power Unit innerhalb des optimalen Fensters zu halten und den Teams den bestmöglichen Leistungs-Output zu bieten. Wenn die Umgebungstemperatur sehr heiß ist, wird mehr Luftfluss benötigt, um die optimalen Temperaturen zu erreichen. Entsprechend öffnen die Teams das Bodywork des Autos, um den Luftfluss durch die Kühler zu erhöhen.
Die Teams können an einem Rennwochenende verschiedene Konfigurationen der Kühlung einsetzen, um sich an die erwarteten Bedingungen anzupassen. Das gilt besonders an Rennwochenenden wie in Bahrain, an denen Sessions sowohl bei heißen Tagestemperaturen als auch bei kühleren Temperaturen am Abend stattfinden.
Etwas kniffliger wird es, wenn sich die Bedingungen am Samstag und Sonntag stark voneinander unterscheiden. Denn das Reglement erlaubt zwischen dem Qualifying und dem Rennen keine Veränderungen an den Autos.
Selbst ohne eine Veränderung bei den Temperaturen ist die Fahrzeugabstimmung am Samstag immer eine Balance zwischen der Performance auf einer Runde sowie der Wettbewerbsfähigkeit im Rennen. Ein aggressives Setup mag für ein großartiges Grip-Niveau auf einer Runde im Qualifying sorgen, gleichzeitig kann es aber auch den Reifenabbau im Rennen erhöhen. Entsprechend müssen die Teams einen Kompromiss finden.
Wenn von Samstag auf Sonntag eine Temperaturveränderung vorhergesagt wird, erhöht das die Herausforderung für die Teams noch einmal, da sie bei der Vorbereitung des Autos für das Qualifying am Samstag immer die Bedingungen am Sonntag im Hinterkopf haben müssen.
Abgesehen vom Einfluss der Temperaturen auf bestimmte Fahrzeugteile haben diese natürlich auch einen körperlichen Einfluss auf die Fahrer. Die Piloten mögen zwar unglaublich fitte Athleten sein, die sich stark auf ihr Training konzentrieren, aber ein Formel 1-Auto zu fahren ist eine physisch sehr anstrengende Aufgabe. Entsprechend können sie während eines Rennens durch Flüssigkeitsverlust rund ein Kilo ihres Körpergewichts einbüßen.
Dieser Wert nimmt bei höheren Temperaturen zu, weshalb ihre Flüssigkeitszunahme durch Trinken davon abhängt, wie warm oder kalt es ist. Jeder Fahrer hat ein Trinksystem in seinem Auto, das ihm bis zu einem Liter an Flüssigkeiten während des Rennens zur Verfügung stellen kann.
Wenn wir uns nun das kommende Rennwochenende ansehen, bringt der neue Termin eine interessante Herausforderung mit sich: Der Terminwechsel von Ende Juni auf Ende April bedeutet, dass die Bedingungen beim Großen Preis von Aserbaidschan deutlich anders sein werden als im Vorjahr. Der Unterschied bei den Durchschnittstemperaturen kann in Baku zwischen April und Juni rund zehn Grad ausmachen, was für Formel 1-Autos einen erheblichen Schritt darstellt.
Wenn die Teams zu Rennen mit wechselhaften Bedingungen reisen, absolvieren sie vorher eine Reihe an Simulationen mit unterschiedlichen Umgebungs- und Streckentemperaturen, um das nötige Setup und die richtigen Kühlungseinstellungen zu finden. Deshalb waren die Teams vor der Formel 1-Rückkehr nach Baku sicher fleißig im Simulator, um zu verstehen, wie sich die veränderte Streckentemperatur auf die Reifen und die Balance auswirken wird.
Das hilft den Teams dabei, die notwendigen Setupveränderungen vorherzusagen. Dabei handelt es sich um ein entscheidendes Element in der Rennvorbereitung, welches es den Teams erlaubt, ein generelles Verständnis für die Abstimmung des Autos zu erlangen, bevor es am Freitag wirklich auf die Strecke geht. Sie nutzen das Training dann zur Feinabstimmung des Setups und stellen sicher, dass die Fahrer mit der daraus resultierenden Fahrzeugbalance zufrieden sind.
Da es sich bei dem Straßenkurs in Baku um eines der neueren Rennen im Kalender handelt, gibt es natürlich noch nicht allzu viele Daten aus den Vorjahren, um zu wissen, was bei einer Veränderung der Bedingungen passiert. Deshalb verlassen sie sich mehr auf Simulationen, um sich bestmöglich mit allen Informationen und Optionen für den Fall zu wappnen, dass sich die Temperaturen verändern sollten.